Das Istanbul-Protokoll – Perspektiven zur Entwicklung eines Standards der Vereinten Nationen
Thomas Wenzel, Önder Özkalıpçı ve Andreas Frewer
ÖZET

Das »Istanbul-Protokoll zur Dokumentation von Folter« – im Folgenden Istanbul-Protokoll – ist die konkrete Anleitung zu wesentlichen Schritten für die Umsetzung der Konventionen der Vereinten Nationen und der ihr beigestellten Dokumente, in denen ein Verbot der Anwendung jeder Form der Folter festgehalten ist. Es basiert auf dem »Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984« (im Folgenden CAT) und dem »Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe« (OPCAT). Das Istanbul-Protokoll ermöglicht durch konkrete Vorgaben und Trainingstandards die zuverlässige, systematische und professionelle Dokumentation möglicher Beweise für die Anwendung von Folter. Ohne diese sind weder Strafverfolgung oder internationales Monitoring noch nachhaltige Prävention und Umsetzung von Schutz- und Entschädigungsansprüchen der Opfer ausreichend durchführbar.

Die Stärke des Istanbul-Protokolls besteht wie bei allen internationalen Standards in einer ausgewogenen Balance zwischen genauen Definitionen, die Fehlinterpretationen der Kerninhalte ausschließen, und einem offenen Rahmen für neue Entwicklungen, beispielsweise beim Kenntnisstand der medizinischen Forschung oder der internationalen Rechtsprechung. Damit wird eine Integration von neuem Wissen ermöglicht ohne dabei den vorgegebenen Standard in Frage zu stellen.

Die zusätzliche Betonung des Opferschutzes im Verfahren bei zu starker oder unnötiger psychologischer Belastung reflektiert einen wesentlichen Ansatz, der auch im EU-Rahmenbeschluß zum Schutz von Opfern von Verbrechen vorgesehen ist. Die spezielle Situation von Gewaltopfern im Verfahren ist hier durch die unterschiedlichen Aspekte ihrer Situation als Opfer, Zeugen und »Objekt« des Beweises bedingt. Während Angehörige der Rechtsberufe und Behörden diesen Aspekt oft weder als Teil der Ausbildung sehen, noch als beruflich relevant empfinden, betont das Istanbul-Protokoll als interdisziplinäres Instrument diesen Ansatz.

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